Zukunft der Volkshochschule Hietzing

Planungszelle/Bürgergutachten an der Volkshochschule Hietzing (Wien)

Die VHS plant ihr Programm mit der Bevölkerung der Region

Am Donnerstag den 14. März 1996 um 8 h 30 fanden sich in den gemieteten Räumlichkeiten im Bildungshaus Lainz 42 TeilnehmerInnen an der 1. Österreichischen Planungszelle ein. Und alle 42 – bei vorweg 41 fixen Zusagen und einer mit Fragezeichen – blieben die gesamten 3 Tage bis am späten Samstag nachmittag eifrigst mitarbeitend dabei.

Endlich auch die NichtteilnehmerInnen erreichen…

Die Gruppe war nicht durch "normale" Kursausschreibung im Programm der Volkshochschule Hietzing zu dieser Veranstaltung gekommen, sondern nach der Zufallsauswahl aus der Bevölkerung des Südwestens Wiens (12., 13., 14., und 23. Bezirk) – dem Haupteinzugsbereich der VHS Hietzing – zur Teilnahme aufgefordert worden.

400 BewohnerInnen des 12., 13., 14., und 23. Bezirks wurden nach Zufallsauswahl ausgewählt und zur Mitarbeit eingeladen.
Daraus wurden 2 Planungszellen mit 20 bzw. 22 TeilnehmerInnen (Arbeiter, Angestellte, Beamte sind genauso entsprechend vertreten wie Pensionisten, Hausfrauen, Studenten) gebildet, die für ihre Tätigkeit als LaienplanerInnen jene drei Tage tätig waren, und dafür auch eine Aufwandsentschädigung und tw. auch Verdienstersatz erhielten.

Die Methode Bürgergutachten/Planungszelle…
wurde von Univ. Prof. Dienel von der Univ. Wupperthal bereits in den 70 er Jahren entwickelt.

Es existieren vielfältige positive Erfahrungen bei Anwendungen im Ausland z.B. bei der Planung des Kölner Domplatzes, von sozialen und datenschutzrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit der pEinführung des Digitalen Telefonsystems (ISDN) in Deutschland, im Zuge der Planung einer Autobahntrasse im Baskenland, der Planung eines Freizeitparkes in Barcelona und bei vielen anderen Planungsverfahren.

Effekte mit dieser Methode:

    Aktzeptierte Lösungen

    Qualitativ bessere Lösungen (beides weil die "Bevölkerung" halt besser weiß, was die Bevölkerung will/aktzeptiert/braucht)

    hoher Bildungseffekt bei den Teilnehmenden (mit Multiplikatorwirkung). Diese lernen den heute so bedeutsamen Umgang mit komplexen Fragestellungen.

Erstmalig in Österreich
In Österreich wurde mit diesem Projekt die Methode Bürgerbeteiligung erstmalig angewandt (mit dankenswerter Unterstützung von Stadt Wien (MA 13), BMWFK und BMUK – Abt. Erwachsenenbildung). Durchführung: Institut für Handel, Absatz, Marketing der Universität Innsbruck (Vorstand: Prof. Mühlbacher)

Nicht nur marktgerecht, sondern an wichtigen gesellschaftlichen Fragen orientiert

    immer komplexere Probleme, sind oft nur mit Einstellungswandel zu lösen.

    Mobilität (Verkehrsproblematik)

    Generationenvertrag, und die

    3. Welt – Problematik

wurden beim Projekt der VHS Hietzing als exemplarische Beispiele genommen.

Wie kann in diesen wichtigen Bereichen

ein für die Lösung dieser drängenden Probleme notwendiger Einstellungswandel erreicht werden, und
wie sieht ein Bildungsprogramm, das hiezu zu einer positiven Entwicklung beiträgt, aus?

Neue Form der politischen Bildung

Bisher ist politische Bildung nicht an dem Problem vorbeigekommen, daß in ihre Veranstaltungen nur die Leute kommen, die sich mit einem Thema ohnehin schon beschäftigt haben. Gleichzeitig ist gerade in "unübersichtlichen" Zeiten mit großen (bevorstehenden) gesellschaftlichen Änderungen politische Bildung und politische Reife noch mehr gefragt als sonst.

Die Planungszelle erreicht auch Menschen die sich bisher für ein Thema noch nicht engagiert/interessiert haben, und bewegt auch nach unseren Erfahrungen sehr viel in ihnen. Die 3 Tage Arbeit in der Gruppe und mit ExpertenInnen zu den gesellschaftlichen Ausgangsfragen haben ihnen viele neue Erfahrungen und Blickwinkel eröffnet. (Näheres werden wir nach Abschluß einer Untersuchung/Diplomarbeit von Renate Spath vom Institut für Publistik wissen).

Das Bürgergutachten…

Auf der Basis der nach den ExpertenInneninputs in Kleingruppenarbeit sowie Einzelarbeit erarbeiteten Vorschläge wurde das "Bürgergutachten" das schriftliche Ergebniss der Planungszelle erstellt. In diesem Dokument sind die Vorschläge der PlanungszellenteilnehmerInnen zur Lösung der am Anfang stehenden gesellschaftlichen Fragestellungen ebenso enthalten, wie konkrete Vorschläge zur Programmgestaltung für die Volkshochschule Hietzing.

Das Volkshochschulprogramm im Jahre 2005

Auf der Basis des Problemkatalogs für Wien wurden Vorschläge zu folgenden Themen/Angeboten für die VHS Hietzing erarbeitet (Originaltitel der LaienplanerInnen):

    AusländerInnen – Miteinander und/oder Nebeneinander

    Neue Initiativen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit

    Neue Initiativen gegen die Isolation der Alten

    Gesundheit – Selbsthilfe durch Vorsorge, Fürsorge und Information

    Wie mache ich meinen PKW entbehrlich – nicht immer, aber immer öfter

Feedback der TeilnehmerInnen:

Abgesehen von der oben zitierten Untersuchung von Renate Spath wurden wenige Tage nach der Durchführung der Planungszellen mittels Fragebogen die TeilnehmerInneneinschätzung abgefragt. Diese erlebten die 3 Tage überwiegend als Bereicherung in ihrem Leben und schätzten auch die Chance "einmal mitbestimmen" zu können.

Unsere Erfahrungen/Chancen und Gefahren:

Ich persönlich bin heute mehr denn je von der Sinnhaftigkeit der Methode Planungszelle/Bürgergutachten – v.a. für komplexe Planungsverfahren, die kontrovers diskutiert werden – überzeugt. Hier spielt sie ihre doch auf den ersten Blick nicht unbeträchtlichen Kosten sicher durch die besseren und konfliktfreieren Lösungen wieder ein.

Auch der Bildungseffekt auf die Teilnehmenden ist eher höher gewesen als von mir vorher erwartet. Da die Kosten für ein solches Projekt durch die Notwendigkeit der Freistellung von TeilnehmerInnen wg. der Repräsentativität (Aufwandsentschädigung, Verdienstentgang) notwendigeweise sehr hoch sind, wird es als Maßnahme ausschließlich mit dem Ziel Bildung zu vermitteln, Bewußtsein zu verändern, wohl kaum breiter Anwendung finden können.

Es müßte allerdings möglich sein, die Erfahrungen der Planungszellen zumindest teilweise auf Bildungsmaßnahmen zu übertragen.

Diesbezüglich freue ich mich auf eine spannende Diskussion, wie ich mich auch über Anfragen, Anmerkungen und Kritik freuen würde.

Manfred Schindler
http://schindlers.at
Kontakt: manfred ät Schindler.or.at

Die Dokumentation der ersten österreichischen Planungszelle (das Bürgergutachten) “Die VHS Hietzing im Jahre 2005″ ist PlanungszelleVHSHietzingWienBuergergutachten

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